Mit jedem Meter Daten näher zur Evidenz

Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Lawinen können für die Bewohner Österreichs existenzbedrohend sein. Sie haben aber nicht nur unmittelbar Einfluss auf das Leben der Menschen in den betroffenen Regionen. Gefahrenpotenzial und Schutzinvestitionen wirken sich auf regionaler Ebene langfristig auf Wirtschaft und Bevölkerung aus. Durch innovative methodische Ansätze und den Zugang zu kleinräumigem Datenmaterial können diese Auswirkungen gemessen werden.

Überschwemmungen, Lawinen, Muren und Steinschläge sind aufgrund der Topografie hierzulande wohl bekannte Gefahren. Vor deren Schäden auf Siedlungsräume und Infrastruktur schützt in Österreich die Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV). 135 Millionen Euro wurden im Jahr 2014 von dieser an Investitionen getätigt, um größere Schäden präventiv zu vermeiden und im Fall von Schadensereignissen die Betroffenen zu unterstützen. Der unmittelbare Nutzen dieser Leistungen liegt auf der Hand. Kaum untersucht wurde hingegen, welche langfristigen Auswirkungen diese Maßnahmen auf Wirtschaft und Bevölkerung in den betroffenen Regionen haben.

Innovative Verknüpfung von Daten

Denn dazu bedarf es einer Fülle an Informationen auf möglichst kleinem Raum, die erstmals in einer Studie des WIFO mit Hilfe von Daten der WLV und Rasterdaten der Statistik Austria genutzt werden konnten. Für jeden 250 mal 250 Meter großen Fleck in Österreich konnten so Informationen zu den dort ansässigen Betrieben, der Haupt- und Nebenwohnsitze, sowie den dort getätigten Investitionen für den Zeitraum von 2001 bis 2011 erschlossen werden. Diese Rasterdaten wurden mit den Gefahrenzonenplänen der WLV überlagert, um für jeden Raster das Ausmaß der Gefährdung durch Wildbach- und Lawinenereignisse zu bestimmen. Damit können die Auswirkungen der Investitionen auf die Dynamik der Bevölkerungszahl und der wirtschaftlichen Aktivität - in Abhängigkeit zum Gefährdungspotenzial - gemessen werden.

Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft

Ein wesentlicher Untersuchungsgegenstand der Studie ist die Reaktion von Unternehmen und Privathaushalten auf erhöhtes Gefährdungspotenzial in ihrer Umgebung. So kann nachgewiesen werden, dass die Lage in einem hoch gefährdeten Gebiet langfristig die Beschäftigung reduziert und die Anzahl der Hauptwohnsitze senkt. Ein um zehn Prozentpunkte höherer Anteil an Wildbachgefährdungsgebiet innerhalb eines Quadratkilometers, sorgt so durchschnittlich für den Verlust eines Beschäftigten. Einzig die Zahl der Nebenwohnsitze bleibt von der Bedrohung unbeeinflusst. Dass das Wissen über die Gefahrenlage die regionale Bautätigkeit beeinflusst zeigt daher, dass die Gefahrenpläne der WLV ein wirksames Instrument zur Vermeidung von Schäden darstellen. Diesem negativen Einfluss können Investitionen der WLV entgegenwirken: Ausgaben in der Höhe von 1 Millionen Euro führen durchschnittlich zu einem Anstieg um 11 Haupt- und 25 Nebenwohnsitze und haben auch die Schaffung von Arbeitsplätzen zur Folge. Wirtschaftlich profitiert von den Investitionen vor allem das Baugewerbe und der Handel.

Viele weitere Aspekte werden in der Studie analysiert. So ziehen die Bewohner gefährdeter Gebiete einen indirekten Zusatznutzen aus den Ausgaben der WLV: Eine Investition von einer Millionen Euro steigert den Wert einer Liegenschaft in gefährdeten Gebieten um durchschnittlich etwa 2 Euro pro Quadratmeter. Auch eine Schätzung über die künftige Entwicklung der Zahl der Wohnsitze und Betriebsstätten wurde unternommen. So kann Investitionsbedarf frühzeitig erkannt und Maßnahmen präventiv dort gesetzt werden, wo sie am dringendsten benötigt werden.

Jeder Millimeter zählt

Dabei konnte die Analyse noch gar nicht die Tiefe der gesamten Registerinformationen ausnutzen. Eine punktgenaue Lokalisation der Betriebsstätten innerhalb der 250m Eingrenzung ist eigentlich bei Statistik Austria vorhanden. Eine Verwendung dieser würde Unschärfen in der Zuordnung zu den Gefahrengebieten eliminieren und eine noch genauere Schätzung der kausalen Effekte ermöglichen. Je genauer die verfügbaren Informationen, desto genauer die Evidenz. Auch öffnen sich potenziell viele weitere Forschungsfelder: So können die Rasterdaten benutzt werden um bessere Verkehrsplanung zu ermöglichen oder eben diese auf ihre Optimalität hin zu überprüfen. 

Über den Autor der Studie: Franz Sinabell ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung WIFO, wo er im Forschungsbereich Umwelt, Landwirtschaft und Energie tätig ist. Er arbeitet zu den Themenfeldern Agrar- und Ernährungspolitik, Umwelt- und Ressourcenökonomie sowie Risikomanagement.

Text und Grafiken: Lukas Schmoigl

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